Nach einer 9 stündigen Fahrt von Coimbatore in unser Kinderheim, die „Chattanhalli Bridge School“, werden wir von 40 strahlenden Kindergesichtern empfangen und sofort umzingelt, weil sich jeder persönlich vorstellen will. “My name is Pooja, 5th standard. What is your name?“.
Da Johanna zu lange ist, wurde ihr Name zu Jo und Anna zu Anni oder Annu, weil Anna auf Kanada, der Sprache in unserem Bundesstaat Karnataka, Reis oder auch Bruder bedeutet.
Apropos Kannada, diese Sprache zu lernen stellt sich als eine Herausforderung dar, weil sie einfach mit keiner uns bekannten Sprache vergleichbar ist. Wir haben jedoch schon einiges gelernt, dadurch, dass wir direkt mit den Kindern zusammen wohnen (der Nachteil an der Sache ist, dass ab 6 Uhr morgens die Nachtruhe vorbei und das Haus für den restlichen Tag von fröhlichem Kindergeschrei erfüllt ist). Die beiden Lehrerinnen Rupa und Mamatha sind nicht so nachsichtig wie die Kinder mit uns, wenn es um die Aussprach geht. Dadurch, dass ich das „R“ nicht Rollen kann, werde ich regelmäßig mit rrrrr-Lauten angeschrien. Ich bekomme es natürlich trotzdem nicht hin und sorge so für lauthalses Gelächter.
Doch nicht nur unsere mangelhafte Aussprache belustigt unsere neuen Freunde… Im KKID hatten wir noch den Luxus mit Besteck zu essen doch im Hostel müssen wir uns schnell an das mit der rechten Hand Essen gewöhnen. In dieser Angelegenheit sind die Mitarbeiter zum Glück nicht zu streng mit uns, wenn wir aus Verzweiflung doch mal die linke Hand zur Hilfe nehmen. Das Tischgebet der Kinder, der „Schanti Schanti Song“, der jede Mahlzeit einläutet, ist der Hit. Alle singen mit vollem Elan, sodass die Wände vibrieren. Es gibt 3 Mal täglich warmes Essen: Reis, Chapatti und Gemüse - natürlich super scharf. Das Trinken stellt sich auch als nicht gar so einfach dar, da es pro Tisch einen Becher gibt aus dem alle trinken, jedoch ohne ihn mit dem Mund zu berühren. Johanna und ich leerten uns diesen anfangs regelmäßig unbeabsichtigt über, doch wir werden nun schon besser.
Nachdem ein erstes solches abenteuerliches Abendessen geschafft war, fuhren wir am nächsten Tag nach Tarikere, dem nächstgelegenen Städchen, ins Vikasana Office, um unseren Direktor Sir und die Mitarbeiter unserer NGO kennenzulernen. Den Weg dorthin bestritten wir zu acht in einer eigentlich für 4 Personen gedachten Rikscha und wurden natürlich wie üblich angestarrt. Nach einer kurzen Begrüßung unseres Direktors wirft er ein Blick auf unser mit viel Mühen erstandenes Visum und stellt fest: da ist ein Fehler - anstatt Volunteer Vikasana Chikmagalur steht da Volunteer Vikasana Coimbatore. Toll, das könnte für uns also eine 9 stündige Fahrt zurück nach Coimbatore heißen, weil uns nur 2 Tage Aufenthalt im Distrikt Chikmagalur gewährt wurden. Ehrlich gesagt waren wir über diese Option erleichtert, da uns kurz zuvor gesagt wurde, dass wir möglicherweise sogar zurück nach Deutschland müssen, um dann erneut einzureisen. Letztendlich hat sich das Problem gelöst, da es nicht unser Fehler war, sondern all die Verwirrung auf einem unglücklichen Missverstaendnis mit dem Frankfurter Konsulat beruhte. Guten Mutes und die Aktentasche voller Dokumente sind wir dann zur Police Registration nach Chikmagalur gefahren. Es hat alles super geklappt, sogar den verlangten HIV-Test haben wir mit Negativ bestanden.
Unsere Mentorin Shruthi war bei dem ganzen Fiasko immer an unserer Seite. Sie ist eine sehr liebenswerte und interessante Frau. Obwohl sie mit den indischen Traditionen verankert ist, ist Shruthi weltoffen, stets neugierig und dank ihrer jungen Jahre schnell zu unserer Freundin geworden.
Liebenswert sind auch unsere 41 Kinder, alle super süß und besonders gute Tänzer. Dagegen sieht unser noch in Deutschland einstudierter Tanz zu „Nagada Nagada“ echt schwach aus, trotzdem wollen sie, dass wir ihn immer wieder vorführen. Zurzeit sind sie jedoch sehr beschäftigt und lernen den ganzen Tag, weil diese Woche Prüfungen anstehen. Uns ist aufgefallen, dass das Lernen dafür in keinster Weise mit dem des deutschen Schulsystems zu vergleichen ist, da eigentlich nur auswendig gelernt wird.
Während unserer ersten Woche hier im Projekt konnten wir noch weitere Eindrücke darüber bekommen, wie hier im ländlichen Südindien unterrichtet wird. Doch die Besuche der zwei Schulen hätten unterschiedlicher nicht sein können.
In der nahegelegenen Chattanahalli-Schule haben sich die Kinder gefreut wie Schneekönige, als wir den kleinen aber gemütlichen Schulhof betraten. Nach einem Gespräch mit dem Direktor und einigen seiner Kollegen durften wir in fast jede Klasse schnuppern, die Schüler kennenlernen und eine kleine Vorstellungsrunde abhalten. Besonders begeistert sind wir von der „Activity Based Learning“ Idee für die Erst- bis Drittklässler, die dem Montesoriprinzip ähnelt. Leider mussten wir feststellen, dass an der Schule sogar das Englisch der Englischlehrer zu wünschen übrig lasst. Daher wollen wir dort ab Anfang November die 30 unserer Hostelkinder und ihre Klassenkameraden in Englisch unterrichten. Als wir uns nach dem Mittagessen von allen Schülern und Lehrern verabschiedeten, sind wir uns vorgekommen wie Berühmtheiten, die lieben Kinder haben uns hinterher gewunken und unsere Namen gerufen, sind uns hinterher gerannt und wollten Autogramme.
Die Atmosphäre an der zweiten Schule, war eine ganz andere. Wir wurden zwar auch freundlich empfangen, doch forderte man uns dazu auf, mal schnell 4 Unterrichtsstunden zu übernehmen, na gut. Wir standen also in einer Klasse voller Kinder, ungefähr 7 Lehrern und auch allen anderen Mitarbeitern und sollten also den Schülern etwas beibringen. Wir haben uns einen guten Unterrichtsplan aus den Fingern gezogen, waren aber leicht irritiert als die Lehrer ihren Schülern einfach alle Antworten vorgesagt haben und uns mit Zwischenfragen wie: „ Express your feelings about India, please, about our country, our people, what about German sports. Madam express your experiances in India, please“ unterbrochen haben.
Nach all den Zwischenfragen haben wir und unsere amerikanische Freundin Hillary, eine weitere Frewillige der Vikasana NGO, eine frische Tender Coconut verdient - natürlich frisch abgeschlagen! |
Nun zurück zu unserem Alltag im Hostel: Bei unserer „Welcome class“ haben wir erst mal Fotos von allen Kindern mit den dazugehörigen Namen geschossen, da es doch nicht all zu einfach ist, sich mal eben 41 Namen zu merken, schon gar nicht, wenn die Kinder Dakshiny, Lakschmisch, Sarasvathi, Manasa und Preethiba heißen. Anschließend haben wir Ahoibrause und Luftballons verteilt, es war wunderschön zu sehen, wie sehr sie sich über unser so kleines Willkommensgeschenk gefreut haben.
Klimatisch ist es auch ganz wunderbar: das Wetter bei uns in Chattanahalli ist super, es ist zum Glück nicht zu heiß, nachts wird es sogar recht kühl. Das Einzige, was uns plagt, sind die Moskitos, besonders Johanna leidet darunter… ich weiß ja nicht, ob sich ihre Beine jemals wieder von den vielen Stichen erholen werden.
Ein weiteres kleines Problem ist die Stromversorgung. An den täglichen Stromausfall gegen Abend haben wir uns eigentlich schon gewöhnt. Doch dem Letzt hatten wir 3 Tage keinen Strom und auch gelegentlich kein fließendes Wasser. Natürlich waren die Akkus aller unserer elektrischen Geräte so gut wie leer, als es so weit war. Da wir außerdem noch kein Internetmodem haben, stellte sich das mit dem Blog Schreiben als etwas schwieriger heraus – An dieser Stelle, Entschuldigung an alle, die immer wieder vorbeigeschaut haben und enttäuscht werden mussten. Aber das ist Indien. Chai Trinken und Abwarten.
Nun also ein Live-Bericht über den heutigen Tag. Nachdem wir die letzten Mädchen zur Schule verabschiedet hatten, ging es ans Eingemachte: Drei Eimer Kleidung mit der Hand zu waschen und Zimmer und Bad zu fegen und wischen, war wohl eher das kleinere Übel. Als wir nämlich zum ersten Mal Heißhunger auf etwas aus der Heimat hatten und voller Vorfreude das aus Chikmagalur ergatterte Nutella und sogar Brot aus dem Schrank holen wollten, kam uns eine riiiiesige Ameisenkolonie entgegen, die natürlich neben unseren ganzen aus Deutschland mitgebrachten Leckereien auch das Brot befallen hat. Unsere liebe Köchin, die wir Aunty nennen, meinte, dass sie verschwinden, wenn wir das Brot in die Sonne stellen. Gesagt, getan. Derweil essen wir zu Mittag und stellen fest, als wir schon groß Nutella bei unseren Mitarbeitern angekündigt hatten, dass der Hund Tipu kurzerhand und ganz unbemerkt schon längst das gesamte Brot verschlungen hat. Na gut dann gibt’s eben demnächst Chapatti mit Nutella.
So weit so gut, beste Grüße für die neue Woche!