Sonntag, 22. Januar 2012

Auf die Stifte, fertig, los! - ein Sonntagnachmittag zum Thema "Kinderrechte"

Wenn es heißt, kreativ zu sein, sind indische Kinder unserer Erfahrung nach meist überfordert.  Auf eigene Ideen zu kommen und eine eigene Meinung zu haben, ist hier in Indien einfach nicht unbedingt erwünscht. So besteht auch meist der Malunterricht aus Abmalen aus Schulbüchern.

Letztes Wochenende starteten wir jedoch unterstützt durch Octavia und Lea aus Mangalore, die zum Interprojectvisit zu Besuch waren, eine Malaktion zum Thema „Kinderrechten“, zu der Frage „Was brauchen Kinder?“ In der Vorbereitung legten wir uns einige Beispiele zu recht: Luft zum atmen, Essen, Freizeit,  Meinungsfreiheit und viele mehr.

In einem Sitzkreis fragten wir unsere Lieben dann: „Was brauchen Kinder“? Nach kurzem Gemurmel, fragenden und  nachdenklichen Gesichtern kam die erste Idee: „Reading, Akka.“ „School“.  Ja, „Education“ ist wohl eines der präsentesten Aspekte im Leben eines indischen Kindes. Abgesehen von der halben Stunde Playtime und der täglich zu erledigenden Hausarbeit sind die Kinder eigentlich immer in der Schule oder am Lernen.


„Uta, Akka, food“ Auch das Essen hat hier eine ganz besondere Rolle. Kein Gespräch endet, ohne sein Gegenüber zu fragen, ob er den schon gegessen hätte. „Utha aitha?“



Spielen, eine Zuhause, Familie und Freunde, Gesundheit und Hygiene sind ebenfalls ihre ganz eigenen Ideen. Ziemlich beeindruckt müssen wir gestehen, dass wir die Kinder wohl doch etwas unterschätzt haben.





Auf manche Punkte mussten wir sie natürlich mit der Nase stoßen. Dazu zählen Luft zum Atmen, eine saubere Umwelt, das Recht auf eine eigene Meinung und auf körperliche Unversehrtheit.


Das Thema Schlagen ist schwierig. Wie sollen wir ihnen erklären, dass sie sich gegenseitig nicht schlagen oder grob behandeln sollen, wenn sie selbst von Eltern und Lehrern für jeden fehltritt damit bestraft werden. Leider herrscht hier in Indien fast ausnahmslos das Fahrradfahrerprinzip: Nach oben wird gebuckelt, nach unten getreten.

Obwohl die unbeschwerte Natur bei uns im Hostel zwar allgegenwärtig ist, wird auch hier der gesamte Müll einfach verbrannt, ganz gleich ob Plastik oder Papier. Ebenfalls ist nirgendwo in den Städten ein Mülleimer zu finden - Warum auch? Es gibt schließlich keine Müllabfuhr.

Völlig zufrieden mit der Ideensammlung kann es unserem Empfinden nach eigentlich mit dem Malen losgehen. „Kanasu, Akka“  geht es jedoch weiter. Stimmt, Kinder brauchen Träume. Und die haben sie auch, Zukunftsträume vom Anwalt über den Polizisten bis zur Modedesignerin. Leider ist es jedoch so gut wie sicher, dass alle unsere lieben Mädchen von seiten ihrer Familie eine Ehe arrangiert bekommen und somit als Hausfrau enden. Wenn sie Glück haben dürfen sie dann sogar arbeiten gehen - oder auch eben nicht.

„Dancing, Pooja and Festivals“ Inder sind mit ihren Traditionen um eines stärker verankert als wir es aus Deutschland kennen. Das tägliche Gebet, Pooja, ist nicht wegzudenken. Tanz und Gesang wird zu jeder Funktion zum Besten gegeben und an den zahlreichen religiösen Festivals, egal ob hinduistisch, muslimisch oder christlich, ist die Schule dann doch nicht so wichtig wie sonst.

Die letzte Idee wirft uns schließlich um: „Light, Akka. But also Shadow“.  Vollends begeistert müssen wir gestehen, dass darauf nicht mal wir, die Akkas, gekommen sind.

Erstaunt, da unsere Erwartungen völlig übertroffen wurden, kann es dann zum Malen übergehen. In kleinen Grüppchen wird mit Filz-, Bunt-, und Wachsmalstiften gemalt, was das Zeug hält. Einer unserer kleinsten und ganz schlauen Köpfen, Vinay, begibt sich, nachdem er das Thema „Luft zum Atmen“ bekommen hat, erst einmal auf Nachforschungen. Er beobachtet Bäume, wie sie im Wind wehen und kommt mit samt einer zerquetschten Hand voller Blätter zurück, um auch die Blätter seines Baumes in authentischem Grün zu färben.

So wuseln alle vor sich hin und geben uns schließlich ganz stolz ihre mehr oder auch weniger kolorierten, fertiggestellten Bildchen ab, aus denen wir zu jedem Thema eines ausgewählt und auf einem großen gelben Poster zum Thema „Say Yes to Childhood! Protect Child rights!“ zusammengetragen haben.

Heute, zwei Wochen nach dieser erfolgreichen Diskussions- und Malrunde, steht die Präsentation des Plakates an. Jedes Kind gibt den gespannten Zuhörern einen kurzen Einblick in sein Thema und erhält für die wunderbare Mitarbeit einen leckeren Lutscher, bevor alles für jeder man sichtbar ins Treppenhaus gehängt wird.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Ein arbeitsreicher Jahresbeginn und ein kunterbunter Geburtstagstag

Zwischen Classtime und Streicherei

Kaum im neuen Jahr angekommen erwartet uns ein Berg an Arbeit. Neben dem üblichen Monatsreport an die KKS, die Planung des bevorstehenden Inter-Projectvisits von Lea und Octavia aus Mangalore und dem allwöchentlichem Besuch im Office, um auch unserem Direktor alles Gute für 2012 zu wünschen, stemmen wir für drei Tage den Hostelalltag vollkommen eigenverantwortlich. Shruthi sowie die beiden Lehrerinnen sind zu einer Umfrage nach Kadur Taluk, einem Nachbarbezirk von Tarikere, abberufen, um die dort beschäftigten Kinderarbeiter ausfindig zu machen. Für uns bedeutet das, nicht nur früh aufstehen zu müssen und schon vor dem Frühstück für die fleißig Lernenden da zu sein, sondern auch nach der gewohnten Playtime das allabendliche Gebet und den Snack zu beaufsichtigen, während der Studytime gleichzeitig 41 Kinder von der dritten bis zur zehnten Klasse zu betreuen, parallel dazu je vier Schüler am Computer zu unterrichten, zur Abwechslung eine Malstunde zum Thema „Traumwelt“ zu veranstalten und im Anschluss an das Abendessen noch für ein wenig Unterhaltung zu sorgen.

Eine Verschnaufpause am Mittag bleibt uns jedoch an diesen Tagen vergönnt, weil wir damit beginnen, die Kinderzimmerwände mit bunten, phantastischen Motiven zu bestreichen. Inzwischen können die Kleinen dank dessen unter einer langen Regenbogensternschnuppe oder einem gutmütigen Mond einschlafen und werden vom Duft der Herztulpen oder einer lächelnden Sonne geweckt. Der Raum der sieben Herren unseres Hostels hingegen zeigt das ländliche Idyll in seiner vollen Blüte: eine gemütlich grasende Kuh und ein ausgelassen herumtollender Hund unter einem Traum von Blüten. Sind die Streicharbeiten in allen fünf Zimmern abgeschlossen, werden wir jedem Kind drei persönliche Fotos von Familie und besonderen Momenten im Hostel schenken und damit gemeinsam eine Collage basteln, die am Kopfende eines jeden Bettes unseren Lieben das Gefühl von Heimat geben soll.




Torte und Blütenpracht

Kaum sind unsere jungen Damen von deren Survey zurück, ist es der 5. Januar und wir sind zum 24th anniversary, sozusagen dem 24. Geburtstag VIKASANAs ins Office geladen. Alles über und über mit Hibiskusblüten und Jasmin geschmückt füllt sich der kleine Raum mit zahlreichen Menschen, es wird ein Licht entzündet und die Torte angeschnitten -Ja, es gibt hier in Indien für wirklich jeden Anlass eine solche Torte, ganz gleich ob Neujahr, eine solche Function oder Geburtstag. Im Laufe des Vormittags sprechen Board und Staff member über ihre Erfahrungen mit VIKASANA. Auch wir verlieren, spontan zum Teilen unserer Erfahrungen und einem traditionellen Kannadagesang aufgefordert, einige Worte über unsere Gastorganisation, in der wir uns inzwischen so sehr Zuhause fühlen.

Zwei neue Akkas zu Besuch

„Hi Ociakka! Hi Leakka! How was your journey?“ Nicht nur die Kinder, sondern auch wir sind ganz beglückt, tags drauf die beiden KKS-Freiwilligen Octavia und Lea aus Mangalore bei uns zum „Inter Project Visit“ begrüßen zu dürfen.

Der Inter Project Visit ist die Initiative unserer Entsendeorganisation, der Karl-Kübel-Stiftung, und soll jedem Freiwilligenteam für einige Tage die Möglichkeit geben, auch in die Arbeitsfelder und –weisen einer anderen NGO zu schnuppern, um so noch mehr über regionale Entwicklungshilfe in Südindien zu lernen.

So haben sich also die beiden PRAJNA-Freiwilligen entschieden, deren NGO sich als Beratungszentrum für Frauen und Familien in erster Linie für die Rechte ihrer vom Leben gebeutelten Klientinnen stark macht, aus der Großstadt Mangalore in unser kleines Chattanahalli zu reisen. Sie wollen mehr über das Leben des ländlichen Indiens, die Kinderprojekte VIKASANAs, den Hostelalltag und die Gestaltungsmöglichkeiten dessen lernen.

Neben ausgelassenen Stunden voll Spiel und Spaß mit unseren Lieblingen und einem abwechslungsreichen Sonntag im Hostel, an dem wir gemeinsam eine Malstunde zum Thema „Kinderrechte“ auf die Beine stellen und der wöchentlichen Sitzung des Kinderparlamentes beiwohnen, stehen deshalb die verschiedensten Ausflüge auf dem Plan. Zum Mittagessen in das Heimatdorf unserer Mentorin Shruthi eingeladen kommen wir nicht nur in den Genuss der Kochkünste von Shruthis Mutter, sondern lernen hautnah das Familienleben eines Landwirtes und einer ehemalige Schneiderin kennen, deren zwei Töchter nicht nur hohe Bildungsabschlüsse sondern auch ihren ganz eigenen Kopf vorweisen. Wir begleiten eines unserer Mädchen nach Hause, in eine Siedlung weit abgelegen von den letzten Häusern des Dorfes, und sehen uns unter einem Blechdach auf dem schmutzigen Lehmboden sitzend während dieser Fallstudie mit Kinderarbeit und Schooldropout konfrontiert, in der Luft liegt scheue Traurigkeit über die verstorbenen Eltern und leise Enttäuschung über verspielte Chancen. Wir statten den Kindern eines weiteren VIKASANA-Hostels in Duglapura einen Besuch ab, das verglichen mit unserem Center noch in den Kinderschuhen steckt. Wir begleiten einen Teil unserer Schützlinge in ihre Schule nach Chattanahalli, erleben den morgendlichen Apell und das stolz erfüllte Singen der nationalen und staatlichen Hymnen, das neue staatlich initiierte Unterrichtssystem für die Grundschüler, das mich als „activity based learning“ an die Grundsätze Maria Montessoris erinnert und haben an der Englischstunde einer 7. Klasse teil.
















Wie Lea und Octavia die Tage hier bei uns empfunden und was sie durch den Besuch in VIKASANA gelernt haben, erfahrt ihr auf ihrem Blog unter http://kks-prajna-11.blogspot.com/.

„Happy Birthday, Anniakka!“ – ein ganz besonderer Tag

Schon seit Tagen schütteln die Kinder ihr die Hände, „Advanced Happy Birthday, Anni Akka!“ Als es dann jedoch soweit ist, kommt Anni kaum unbemerkt ins Bad, die Kleinen tänzeln aufgeregt um sie herum und überbringen ihr die besten Wünsche!


Und da der Tag voll Überraschungen stecken soll, erwarten wir unser liebstes Geburtstagskind zum Frühstück mit einer sahnig-gelben Geburtstagstorte, Wunderkerzen und über den kleinen Gabentisch gestreuten, goldenen Glitzersternchen. Nach einem kräftigen Ständchen und dem üblichen Hochlebenlassen der gekrönten Akka, wird die gelbe Geburtstagskerze nicht wie in Deutschland üblich ausgepustet, sondern vor Annis Gesicht kreisen gelassen –ganz so wie es der Swami im hinduistischen Tempel zur Segnung tut. Zwischen den Sitzreihen glitzern übrigens ebenfalls die kleinen goldenen Sternchen und erfreuen unsere Geburtstagsgäste, die beglückt von diesem ganz besonderen Geburtstagsfrühstück, den indischen Currynoodles, zudem von uns persönlich kleine Tortenstücke und Kokoskekse in den Mund gestopft bekommen.


Den Berg von Blumen, Grußkarten und Geschenken auf dem kleinen Tisch zurücklassend begleiten wir die Kinder erst zum Eingangstor, bevor auch wir „Großen“, die Lehrerinnen, Shruthi, unsere Gäste Lea und Octavia und wir, in den Genuss des köstlichen Frühstücks kommen und uns für den bevorstehenden Ausflug zurechtmachen.

Ziel dieses „cultural exposures“ ist der Ambrutapuram Tempel nur eine kurzweilige Rikschafahrt von Tarikere entfernt nahe einem kleinen Dorf gelegen. Als Tochtertempel der beiden uns schon von einem Exposurevisit bekannten Tempel von Belur und Halebidu kleidet auch er sich in eine faszinierende Fassade voll von Bildern und Geschichten. Der Eingangsbereich bietet getragen von zahlreichen massiven Säulen ein schattiges Plätzchen zum Ankommen an diesem heiligen Ort. 


Und so werden das Geburtstagskind und seine Begleiter nach dem Opfern einer Kokosnuss und einigen Bananen vom Swami des Tempels gesegnet. Mit dem roten Bindu auf der Stirn werfen wir anschließend eine Hand voll Reis auf Saraswathi, die Göttin für Bildung, und sprechen ihr und Gott Shiva, denen der Tempel gewidmet ist, unsere Dankbarkeit für diesen zauberhaften Tag aus.


Nachdem wir den Tempel –selbstverständlich rechterhand- einmal von allen Seiten bestaunt haben, finden wir uns außerhalb des Hofs im Schatten einer Palme wieder, picknicken unsere mitgebrachten Leckereien und genießen das offene Gespräch mit unserer wundervollen Mentorin Shruthi. Es geht um Glauben, arrangierte Ehen und die neuesten Kannadahits.


Einen kurzen Kaffee bei entfernten Verwandten Shruthis später machen wir uns auf den Heimweg, ein klappriger Bus schaukelt uns durch die Landschaft, Palmenhaine und weite Felder ziehen vorbei, unter uns ein Schlagloch nach dem anderen. Da ist es, unser Indien, auch an diesem Tag hat es uns wieder ganz in seinen Bann gezogen!

Zurück im Hostel ist Anni eine wirkliche Verschnaufpause jedoch vergönnt, denn die Kinder haben eine kleine Geburtstagsfunction auf die Beine gestellt und freuen sich, uns Ausflügler dazu begrüßen zu dürfen. „Heartly welcome to our Anni Akka, Swagata, Happy Birthday mate tumba daniawadagalo! We also heartly welcome Lial Akka and Oci Akka, our visitors! And heartly welcome also to our Jo Akka!” begrüßt uns Sudha freudestrahlend und ganz offiziell zu diesem Geburtstagsprogramm. Es wird getanzt und gesungen, wir klatschen begeistert mit und tanzen zum abschließenden Gruppentanz Hand in Hand alle gemeinsam –dank des Tanztalentes unserer Kinder inzwischen immer mehr mit den indischen Schritten vertraut.

Und so geht nach einem leckeren Abendessen und einem gemütlichen Beisammensein für Anni und uns drei Geburtstagsgäste ein langer, glückerfüllter Tag zu Ende. Ein einzigartiger Tag, den wir nie vergessen werden! Denn es gibt sicherlich nicht viele junge Damen, die ihren 22. Geburtstag  mit 41 Kindern eine regenbogenfarbenen Geburtstagskrone auf dem Haupt mit Torte und Frühstücksnudeln beginnen, von einem Swami gesegnet in der Hitze dieses Januarmittags unter Palmen picknicken und ihn  mit einer offiziellen Function zu ihren Ehren ausklingen lassen dürfen!  

Montag, 16. Januar 2012

Zwischen-den-Jahren auf Indisch

45 Geschenktütchen - Weihnachtsabend im Hostel

Dass wir das diesjährige Weihnachtfest mit einigen anderen Freiwilligen am Strand von Goa verbringen und über die Feiertage ein wenig entspannen wollten, hatten wir schon lange geplant. Dass deshalb aber unsere Kinder auf den Weihnachtsabend, das Schmücken ihrer Tanne, kleine Aufmerksamkeiten und echt deutsche Plätzchen verzichten müssen, davon war nie die Rede. Schließlich ist es die Idee unseres Freiwilligeneinsatzes, Brücken zu bauen, hier die indische Kultur kennen zu lernen und etwas von unserer Eigenen weiterzugeben. Gesagt, getan, wurde also der deutsche „Heilige Abend“ für unsere Kleinen auf den 19. Dezember vorverlegt und – ganz gleich ob Hindu, Muslim oder Christin- als Fest der Liebe gebührend zelebriert.

Nachdem wir am Vortag gemeinsam mit den Kinder Papiersterne gebastelt und bemalt, 45 Geschenktütchen mit glitzrigen Stickern, feschen Haarclips, kleinen Dinosauriern, bunten Kugelschreibern, Ohrringen und Bindis bepackt und die aus Deutschland geschickten, selbstgebackenen Plätzchen gekostet haben, ist es soweit: Das Glöckchen läutet, unsere große Hostelfamilie findet sich in der Dining Hall zusammen. Jedes Kind hält seinen selbstgebastelten Papierstern in den Händen, die Gesichter voller Neugier auf das, was ihre Akkas jetzt mit ihnen vorhaben.

Dann schreiten wir zur Tat und die Tanne, der Stolz des Gartens, die vor vielen Jahren von zwei anderen Freiwilligen gepflanzt worden ist, erstrahlt wenig später in vollem Glanz, als die vielen großen und kleinen Sterne in der warmen Abendluft tanzen. Wir finden uns daraufhin vor dem Baum zusammen, stimmen gemeinsam „We wish you a merry Christmas“ an und geben für unsere kleinen Zuhörer noch ein „Rudolph the rednosed reindeer“ zum Besten.

Zurück in der Dining Hall in einem Kreis zusammen gefunden lauschen die Kinder der Weihnachts-geschichte, in der unser Christengott seinen Jesussohn auf die Erde schickt, um den Menschen die Liebe zu bringen. „Yes, yes Kanakka! Gottu, Jesus god bringing love, alla?“

Dass wir in Deutschland diese Liebe an Weihnachten mit  unseren Nächsten teilen wollen und deshalb unserer Familie und unseren Freunden Geschenke machen, erzählen wir natürlich auch. „And you are our Indian family! Our heart is full of love for you, nana ge ninu tumba tumba ishda!“ Nach diesen Worten zaubert Christkind Anni den Korb voller Überraschungen unter einem Tuch hervor und wir bescheren jedes Kind sowie unsere lieben Lehrerinnen und Aunty mit bunten Weihnachtstütchen.

Mit was wir jedoch nicht gerechnet hätten, sind die vielen Aufmerksamkeiten und Geschenke, Briefe und Blumen, die uns unsere Kinder im Anschluss überreichen - Kinder, die selbst nichts besitzen und doch so viel geben können. „I love you, Akka! Happy Christmas, my Akka!“ -  Welches Glück, welche Dankbarkeit und Liebe in diesem  Moment den Raum füllen, lässt sich hier nicht in Worte fassen!


Als wir dann die von Annis Oma selbstgebackenen Butterplätzchen austeilen, wird uns postwendend eines in den Mund geschoben: „Thank you, super Biscuits, Kanakka!“ Und während jeder über seinen Geschenken kniet, stolzerfüllt den neuen Schmuck oder den bunten Kugelschreiber seinem Sitznachbarn präsentiert und Plätzchen futtert, kann ich nur darüber staunen, auf welche zauberhafte Weise wir an diesem Abend das Fest der Liebe begangen haben.

Zu guter Letzt steht auch noch unser Direktor mit seiner Familie in der Tür, um uns eine frohe Weihnacht und eine gute Reise nach Goa zu wünschen. Nachdem auch er einen Papierstern an unsere Weihnachtstanne gehängt hat, überreicht er uns Weihnachtstorte, kitschige Grußkarten und ein tolles Geschenk: Reiseschals, die wir während der zugigen Nachtfahrt in der Sleeper Class sicher gut gebrauchen können.

Ein Genuss - Ferien in Goa

„Happy journey, Akka! And come back fast!“ Es ist soweit, mit unseren Rücksäcken und großer Vorfreude bepackt machen wir uns auf in die Weihnachtsferien und erreichen nach einer ersten siebenstündigen Busfahrt durch die Kaffeeplantagen Chickmagalores die Westküste und damit Mangalore, wo wir von unsere Freundinnen Lea und Octavia, zwei weiteren Freiwilligen der KKS, schon mit einem leckeren Abendessen erwartet werden. Gemeinsam und auf einer schmalen Pritsche im Nachtzug schlafend geht die Reise schließlich weiter nach Goa direkt an den indischen Ozean, wo wir von dem dritten Freiwilligenteam im Bunde, Naomi und Elena aus Joida,  Empfang genommen werden.



Und so ziehen erst in Anjuna, dann am Strand von Arambol wundervolle Tage ins Land, in denen wir sechs uns in Gesprächen und zwischen den vielen bunten Ständen auf Anjunas Flohmarkt und entlang des Strandes verlieren oder uns in netten Strandcafés auf den Bambusbänken lümmelnd die Bäuche mit Pfannkuchen, Falafelsandwich, Lassi und Avocadosalat voll schlagen - Leckereien, von denen wir in den vergangenen Monaten bei all den warmen indischen Malzeiten nur träumen konnten. Abends wieder einmal zu tanzen oder zusammen zum Spiel der Gitarre zu singen hat ebenso seinen ganz eigenen Reiz wie tagsüber an dem weitläufigen Strand oder am Ufer des Süßwassersees seine Zehen in den weichen Sand zu buddeln.



Auch die zahlreichen Begegnungen in unserem Bambushütten-„Woodstock village“, beim morgendlichen Yoga am Strand oder unter einem riesigen, fernab von allem im Dschungel gelegenen Baum sind es, die dieser Woche etwas ganz einzigartiges verleihen.


Heilig Abend am Strand

Und dann ist es plötzlich soweit, der 24. Dezember fernab vom winterlich-weihnachtlichen Zuhause bricht an. Anstelle des Duftes von Plätzchen und Tannenzweig riecht der Morgen nach Sonnencreme und Salzwasser und nach einem ersten erfrischenden Bad im indischen Ozean gönnen wir uns ein leckeres Frühstück in der German Bakery Arambols. Auf einer Strandliege ruhend schweift mein Blick in die Ferne an den blau-blauen Horizont, in unserer Hand ein spinatgrüner Weihnachtsmojito scheint es vollkommen surreal, dass in wenigen Stunden in Deutschland das Glöckchen zur Bescherung läuten würde.

Doch auch für uns heißt es am späten Nachmittag Fertigmachen für den Festabend und, als alle in weihnachtlichem Glanz erstrahlen, geht es mit den Geschenktüten bepackt wieder zurück zum Strand. Unser Antlitz vollkommen in der deutschen Tradition geschmückt ist wenig später zwischen den vielen Lichtern und einem echten Tannenzweig mit Bienenwachskerze kaum noch Platz auf dem Tisch, es baumeln glitzerige Christbaumkugeln an unseren Ohren und silbernes Lametta schmückt unser Haupt. Nachdem wir großzügig den Rest Lametta verschenkt und alle man Frohe Weihnachten gewünscht haben, bringt uns Octavias „Von drauß‘ vom Walde komm ich her…“ und ein lautstarkes „In der Weihnachtbäckerei“ nun auch die Aufmerksamkeit der letzten Tischnachbarn ein.


Es folgt die Bescherung, die per Post aus Deutschland noch rechtzeitig eingetroffenen Geschenke und gegenseitige Kleinigkeiten werden ausgepackt und in diesem kurzen Moment scheint Zuhause so nah und ist doch so unglaublich fern, dass es uns vollkommen unbegreiflich scheint. Nachdem wir aber alle mit unseren Lieben in Deutschland telefoniert haben, unter deren Christbaum in diesem Jahr auch indische Überraschungen darauf warteten, ausgepackt zu werden, kann das Weihnachtschlemmen beginnen: Mit Gemüse gefülltes Naan, Gobi Manjuri  -marinierter Blumenkohl-, vegetarisches Byriani und gemischtes Gemüse Masala. Welch ein Gaumenschmaus!

Und was unseren Heiligen Abend perfekt macht, ist der Besuch der Mitternachtsmette, die im durch die portugiesische Kolonialzeit stark christlich geprägten Goa brechend voll von herausgeputzten Inderinnen in bonbonfarbenen Kleidern und Herren in Anzug und Fliege ist. Obwohl auf Konkodi können Octavia und ich der Liturgie gut folgen und sprechen das Vater Unser einfach intuitiv auf Deutsch mit. Im Anschluss an den Gottesdienst ertönt erst ein „Stille Nacht, heilige Nacht“, dann fröhliche Tanzmusik, auf dem Vorhof wird Chai ausgeschenkt und Kuchen für alle serviert, es gibt eine kitschige Krippe zu bewundern und Kinder dürfen trotz der nächtlichen Ruhe an einem Karaokewettbewerb teilnehmen. Die Art, ihren Glauben zu feiern ist genau so, wie man es sich von einer Gemeinde in einem Schwellenland erwartet. Zurück bei den anderen Freiwilligen tanzen wir bis in den frühen Morgen am Strand und fallen nach fast 24 Stunden 24. Dezember um sechs Uhr morgens erschöpft und zufrieden ins Bett.

Talentschau Karl-Kübel-Trophy - 270 Kinder zu Gast im KKID

Nach 7 wunderbaren Urlaubstagen und einem Tag Verschnaufpause bei Lea und Octavia in Mangalore geht unsere Reise weiter nach Tamil Nadu, in den südlichsten Bundesstaat Indiens. Unser Ziel ist das Karl-Kübel-Institut for Development Education in Coimbatore, in dem wir auch schon während unseres Orientierungs- sowie Zwischenseminares residierten.  Was uns dort diesmal erwartet, sind nicht die gewohnten Wochen voller Gesprächsrunden und Field visits. Es sind zwei volle Tage, in denen das gesamte Team des KKIDs sowie zahlreiche Mentoren 270 Kindern aus den verschiedenen NGOs Südindiens die Möglichkeit geben wollen, ihre vielseitigen Talente unter Beweis zu stellen. Angeboten werden die Felder Sport, Tanz und Gesang, Kreatives und die „Weisheitsecke“. So gibt es beispielsweise langsames Fahrradfahren und Schnelles Laufen, Sologesang und Gruppentanz, Zeichnen und Origami sowie Öffentliches Reden und die Diskussionsfreudigkeit im Rahmen eines Kinderparlamentes zu bestaunen.




In all dem Trubel sind es unsere Aufgaben, die über dem gesamten Campus verstreuten Aktivitäten abzulichten sowie den Mitarbeiten des KKIDS zudem  in der einen oder anderen Kategorie als „Richter“ unter die Arme zu greifen und die Kreativität der jungen Teilnehmer mit Punkten zu belohnen. Und während wir so mit der Kamera durch das Gewusel streifen, um lebendige Fotos zu schießen, haben wir immer wieder die Gelegenheit uns mit den anderen Freiwilligen von der Universität Coimbatores sowie Lena und Mona, von der KKS nach Coimbatore entsandt, zu unterhalten, die ebenfalls gemeinsam mit ihren Schützlingen zur Trophy angereist sind.

Apropos, unsere Tänzerinnen und Sportskanonen haben in den verschiedensten Disziplinen alles gegeben und zum Ende des Wettbewerbs achtzehn kleine goldene Trophäen mit zurück nach Tarikere bringen können.


Sieger der Trophy waren jedoch die Kinder von den SOS-Kinderdörfern aus Kerala, die durch ihre herausragenden Talente alle von sich überzeugen konnten.

Sylvesterkuscheln und Neujahrstanz

Nach 10 aufregenden Tagen auf Reise wieder zurück im Projekt heißt es erst einmal Ausschlafen, dann „Waschparty“. Was es damit auf sich hat? Nun ja, vier bis zum Rand gefüllte Eimer Schmutzwäsche, das macht etwa vier Stunden und eine Waschseife später drei Leinen voll Wäsche und zwei vollkommen geschaffte Akkas. Doch von Ausruhen ist keine Rede, es ist schließlich Sylvester. Also finden wir uns nach einer heißen Dusche zum Spieleabend zwischen unseren Lieben wieder, es ertönt die schrille Halligalliglocke, hinter meinem Rücken kann ich ein stolzes „Unouno“ vernehmen und irgendwo ärgert sich ein kleines Mädchen, beim „Mensch, ärgere dich nicht“ herausgeworfen worden zu sein. Zufrieden und von dem leckeren Abendessen gesättigt sehen wir gemeinsam einen Film, ob der langen Reise am Vortag und der Gemütlichkeit wegen eng aneinander gekuschelt, bis die meisten Kleineren eingeschlafen sind und deshalb vor Mitternacht all in ihre Betten huschen. Auch wir machen es uns in unserem Zimmer gemütlich und begrüßen das neue Jahr mit in der Dunkelheit scheinenden Lichtertüten und angenehmer Ruhe anstelle des üblichen Böllerns.


„Akka, akka, Bani!“ Es ist 7.30 Uhr und lautes Klopfen reist uns aus dem Schlaf. So früh ist unser Neujahrstag sicherlich noch nie angebrochen. Schnell einen Schal übergeworfen und die Wunderkerzen und goldenen Streusterne geschnappt werden wir im Hof bereits erwartet: Die sahnige Neujahrstorte soll angeschnitten werden und nachdem sich alle nur das Beste zum neuen Jahr gewünscht haben, zünden wir unsere Wunderkerzen an und tanzen freudig zu den neuesten Kannadahits im Kreis. Denn hier in der Region wird nicht das alte Jahr am 31. Dezember verabschiedet, sondern der 1. Januar als Neujahrstag gefeiert. Dann heißt es für uns ab in die Küche und nach einer guten Stunde spendieren wir Bonda, in Teig frittierte Chillischoten, für alle –ein Festtagsfrühstück eben!



Wir hoffen, dass auch ihr wundervolle Weihnachtstag verlebt habt und gut ins neue Jahr gerutscht seid und wünschen von hier aus natürlich nur das Beste für die nächsten zwölf Monate! Let's life our life with arms wide open!