Montag, 12. Dezember 2011

Die schönsten Flecken Karnatakas, ein Minibus voll Kinder und gute Laune

Einmal im Jahr heißt es, alle Mann rein in den Minibus und los geht die Reise. Einen Tag lang Abenteuer und Freude, Abwechslung und Wissbegierde, Ausgelassenheit und Glück: Einen Tag lang Exposure visit.

Ziele dieser Tagesausflüge sind meist kulturell und historisch bedeutsame Plätze der Umgebung. Es werden Sehenswürdigkeiten besucht, alles Taschengeld zusammengekratzt, um den Budenbesitzern verlockende Kleinigkeiten abzuschwätzen, in der freien Natur von Bananenblättern gepicknickt.

In diesem Jahr durften wir Akkas bei all dem Spaß natürlich nicht fehlen und waren mit drei der vier Hostelgruppen unterwegs durch unser wunderschönes Karnataka, durften nicht nur die faszinierenden Bauten und atemberaubend schöne Natur sondern auch die vor Aufregung und Freude fast platzenden Kinder bestaunen, wie sie alles in sich aufzusaugen schienen.
Aber nun der Reihe nach.

Ein Tag zwischen Tempeln und Palästen – Exposure visit unserer Anna-School-Kinder nach Mysore

Es ist früher Morgen. 4 Uhr, wir werden durch einen dieser schicken Kannada-Popsongs geweckt, die sich neuerdings auf der Speicherkarte unseres Handys befinden. Verschlafen und immer noch müde raffen wir uns auf, eine schnelle Katzenwäsche später werden wir auch schon von den ersten aufgeregten Kindern entdeckt. „Akka, Today trip you come, alla?“ „Come fast, TTvan waiting, Akka!“ Wenig später sitzen wir zwischen unseren kleinen Lieblingen eingepfercht in dem überfüllten Minibus. Die Sitze reichen nicht, kurzerhand wird eine Holzbank zwischen die Sitzreihen geschoben, alle finden irgendwie Platz, es kann losgehen. Und während wir gen Süden fahren, einige schlafen, andere angeregt über das tuscheln, was sie in den kommenden Stunden erwarten wird, der lauten Musik lauschen, die den Bus füllt und sich aneinander kuscheln, geht die Sonne auf. Und kaum da der Tag erwacht ist, sind wir auch schon an unserer ersten Station angelangt, ein noch nördlich von Mysore gelegener Tempel, der barfuß erkundet wird –ganz so wie sich das hier gehört.


 

Der nächste Halt ist Frühstückspause. Während Roopa, die Lehrerin der von der Anna-Schmidt-Schule unterstützten Kinder, für die hungrige Meute den von Zuhause mitgebrachten Chitrana –gelben Gewürzreis, in dem man auch auf Gemüse und Körner stößt- auf die Bananenblätter verteilt, waschen wir uns im kalten Fluss stehend die Gesichter und den Schlaf aus den Augen. 
Nach dem Picknick am Flussufer wird gemeinsam der nahegelegene Tempel erkundet, dann geht die Fahrt weiter zu Tipu Sultans Sommerpalast in Shrirangapattana, in dem unsere kleinen Herren die Waffenkammer bestaunen, während die Mädelsfraktion vor dem Eingang mit den Straßenhändlern um Armreifen und allerlei andere Kleinigkeiten feilscht. 




Schließlich steuern wir auf Mysore zu, doch bevor wir die Stadt und ihrem bezaubernden Palast erkunden, führt die Route auf den großen Hausberg der Stadt, den Chamundi Hill, von dem wir nicht nur Mysore zu unseren Füßen, sondern auch einen weiteren Tempel beschauen dürfen, der der Göttin Chamundeswari und Siegerin über den Demon Mahishasura gewidmet ist.  

Dort machen wir auch die Bekanntschaft mit Nandi, einem Hindu Gott in Form eines riesigen schwarzen Bullen. Da im Hinduismus ihm allein die Fähigkeit zugesprochen wird, Gott Shiva in seinem Zorn zu besänftigen, ruht jener Bulle vor dem Eingang eines jeden Tempels, dem Hort Shivas. 

Inzwischen häufen sich auf unserer Stirn die vielen roten Poojapunkte, die man bei einem jeden Tempelbesuch zum Segen zwischen die Augenbrauen gedrückt bekommt. 

Schließlich in Mysore angelangt, staunen wir nicht schlecht über die Schönheit und Pracht des Palastes, der in früheren Tagen der Sitz der königlichen Familie der Wodyars war und bis heute eine der größten Attraktionen des Landes ist. Hand in Hand mit unseren kleinen Schützlingen streifen wir durch die hohen Säle, schreiten unter den orientalisch gestalteten Bögen und Deckenfenstern hindurch und sind ganz entzückt von dem Spektakel, das sich uns hier bietet. Den Kleinen zu meinen beiden Seiten entfährt immer wieder ein „Hoi, suuuuperrr Akka! Tumba chenagide, alla?“, die Augen irren umher, die kleinen Hände greifen fester nach meiner, sie scheinen das alles überhaupt nicht fassen zu können.

Nach dieser Aufregung spendieren wir erst einmal allen ein Eis am Stiel. Die Sonne steht schon tief, es wird still, während alle in vollen Zügen diese Erfrischung genießen.  Ab und an hört man eine Schokoladenkruste knacken. Anschließend setzt sich unsere kleine Gruppe in Bewegung, es geht vorbei am Palastelefanten und den vielen kleinen Äffchen, die die prachtvolle Fassade entlang klettern.





Ein letztes Gruppenfoto später und im Minibus angelangt lassen sich alle müde auf ihre Plätze fallen, während unser Fahrer Gopi die letzte Station dieses langen Tages ansteuert: ein Wasserpark, in dem die Kinder zu modernen Rhythmen tanzende Wasserfontänen bestaunen können, die in ihren bunten Farben die abendliche Dunkelheit aufhellen wie es in Europa Neujahrsfeuerwerk tut.



Ein Tag 614 Stufen weit über dem Land – Exposure visit der Kinder eines weiteren von Vikasana geführten Kinderheims nach Shravan Belagola, Belur und Halebidu

An diesem Tag sind wir sozusagen nur Gäste. Die eigentliche Akka dieser Truppe ist unsere amerikanische Freundin Hylary, die von August bis November ebenfalls hier mit Vikasana gearbeitet hat. Während wir hier in Chattanahalli leben, war sie in dem von „Asha for education“ geförderten Hostel in Duglapura untergebracht und hat den Alltag von 18 jüngeren Kindern geteilt. So kam es also, dass wir an diesem Morgen mit diesen jungen Damen und Herren erneut im Minibus saßen, diesmal eine etwas kürzere Reise vor uns - gut so, nach dem 5-Stündigen Heimweg zurück von Mysore, der selbst die an weite Busstrecken gewöhnten Inder ziemlich geschafft hatte. 

Das erste Ziel der Fahrt ist die Pilgerstadt Shravan Belagola. Am Fuß des Vindhyagiri- Hügels, der eigentlichen Attraktion dieses kleinen Ortes, halten wir an. Dann heißt es Augen auf und durch –614 in den Felsen gehauene Stufen, die es zu erklimmen gilt, immer wieder ein Blick zurück auf die atemberaubende Landschaft, die sich uns zu unseren Füßen bietet. Oben am Ziel, einem Jaintempel, angelangt werden wir nach einer kurzen Verschnaufpause Zeugen eines faszinierenden Schauspiels zu Füßen der riesenhaften Gomateshvara Staue, die aus nur einem einzigen Stein gemeißelt sich 17,5 m über das Land erhebt.

Dieses Abbild der jainistischen Gottheit ist angeblich die Höchste aus nur einem Stein gehauene Statue der Welt.

Vor uns hält die Gemeinde der Jains, manche von ihnen in weiß gekleidet, manche nackt -sogenannte „Luftgekleidete“-, in diesem Moment ihre Zeremonie ab: Glocken werden geläutet, ein Gesang wird angestimmt, immer wieder wird gesegnetes Wasser auf die steinernen Füße der Gottheit geträufelt. 


Nach dem Abstieg und einem appetitlichen Frühstück erreichen wir eine Stunde später die Tempelstätte von Belur, um all die Geschichten zu erfahren, die uns die Tempelfassaden zu erzählen haben. Auch die Kinder scheinen von dem, was der Fremdenführer zu berichten hat, in eine andere Welt entführt zu werden -in eine Welt von tanzenden, jähzornigen und meditativen Göttern, von starken Elefanten und flinken Äffchen, aus den Steinbildern erwacht. Auch das himmelhohe Tempeltor, der Eingang selbst, ist geziert von unzählbaren Bildern und Figuren, die an diesem Morgen in den wunderschönen blauen Himmel ragen.



Eine erfrischende Kokosnuss später steuern wir Halebidu an, um dort ebenfalls die Tempelstätte und den wunderschönen Park zu erleben. Mit einem Sack Puffreis bewaffnet lassen wir uns nach all der Aufregung ins Gras fallen, genießen den Snack und tollen mit den uns durch den gemeinsamen Ausflug so vertraut gewordenen Kindern auf dem weichen Rasen herum.  


Ein Tag im Fluss und Himmelhoch – Exposure visit unserer Gallihalli Mädels nach Hampi und Hospet

Nachdem der Trip unserer Ältesten aufgrund schlechter Wetterbedingungen oder anderer Schwierigkeiten immer und immer wieder verschoben worden ist, durfte es in dieser Woche tatsächlich los gehen nach Hampi. Dem Hindu-Epos Ramayana zufolge das Reich der Affengötter war das kleine Dorf seit dem 14. Jahrhundert für mehrere Hundert Jahre Hauptstadt und Zentrum eines der größten Hindu-Reiche der Geschichte Indiens. An seine blühende Vergangenheit erinnern heute noch viele Bauten, Ruinen und Denkmäler, die es für uns zu erkunden gilt.

Angesichts der großen Reise -7 Stunden Minibusfahrt hin, 7 Stunden Minibusfahrt zurück- ist die Aufregung groß. Kaum aus der Schule zurück legen unsere Highschoolmädchen los, das Picknick wird bereitet. Auch wir lassen uns den Spaß natürlich nicht entgehen: 125 Chapatti –Weizenfladen-, ein großer Topf Reis und reichlich Uuli –ein Gewürz-Gemüse-Öl, das zum Frühstück unter den Reis gemischt wird-, Chili-Kokosnuss-Chutney, gewürztes Kokosnussgeraspeltes und Mandaki –eben jener Puffreissnack. In Gemeinschaftsarbeit wird parallel dazu das normale Abendessen zubereitet, Ragiball, Reis und eine Gemüsesambar.
Immer wieder rufen die Mädels den aktuellen Chapattistand vom Gasherd herüber – „Eightyseven, Akka!“, während wir zu viert auf dem Boden sitzen, über und über mit Mehl bestäubt und hauchdünn Teig ausrollen.  Anni sitzt eine Fraktion weiter und formt Ragiballs, eine Art Vollkornklöße. Es wird gelacht, gesungen und hin und wieder durch die zwei Küchenräume getanzt. Das Werk vollbracht wird von allem etwas genascht und für gut befunden. 

Nachdem alles bereitet, zu Abend gegessen, die Kleiderfrage geklärt und die Haare geflochten sind,  pferchen wir uns ein weiteres Mal in den von lauter Musik und Bässen dröhnenden Minibus, in dem wir die bevorstehende Nacht über Schlaglöchern und in Richtung Norden reisend verbringen. Kurz vor Hampi angelangt, verrichten alle ihre morgendliche Wäsche im Flussufer: Gesicht, Arme und Beine werden abgewaschen, die Zähne geputzt, die Haare erneut in Form gebracht. Wieder wird von Bananenblättern gefrühstückt.

Am Ziel der Reise angelangt staunen wir nicht schlecht über die steinige Landschaft, die mich entfernt an das Felsenmehr nahe Bensheim erinnert und in mitten derer sich das weitläufiges Gelände des Virupaksha-Tempels sowie ein schnuckeliges kleines Dörfchen wiederfindet.

Während wir gemeinsam mit unseren Lieblingen durch die Anlage streifen und uns von den hinduistischen Legenden erzählen lassen, sind jene ganz von den gewitzten Äffchen und den vielen, unserer inzwischen sehr indischen Wahrnehmung nach absolut unpassend kurz gekleideten „Foreigners“ in den Bann gezogen. „Good morning, Madame, how are you? What is your good name? Where do you come from?” findet eine meiner ersten Englischstunden zum Thema “meeting friends” nun Anwendung.  Auch wir werden von den indischen Touristen genauer unter die Lupe genommen, Shruthi und Mamatha immer wieder fasziniert gefragt, wie es kommt, dass wir Weißen uns indisch kleiden, mit der Hand essen, Wasser aus dem gemeinsamen Becher trinken können, ohne uns die Hälfte überzugießen. Es scheint ihnen unbegreiflich, dass sich Foreigners so anpassen und so selbstverständlich indisch sein können. 


Die nächste Attraktion wartet auch schon, als wir den ersten großen Tempel durch sein mächtiges Eingangstor verlassen. Während wir an kleinen bunten Läden, einem Schlangenbeschwörer, einem „Shivamann“ und einer über und über mit Schmuck behängten Frau vorbeikommen, entdeckt sie eines der Mädchen: Die Elefantendame Lakshmi, die in diesem Moment von ihrem morgendlichen Bad im Fluss zurückgekehrt sich in aller Ruhe von ihrem Mahaut viele gelb-roten Poojapurris auf Stirn und Rüssel drücken lässt. Ich traue meinen Augen kaum, wie sie da in aller Seelenruhe kaum einen Meter von uns entfernt steht, die Ohren schlappen entspannt hin und her, der mächtige Leib nimmt fast die gesamte Gasse ein. Einen Augenblick später stehe ich auch schon direkt vor ihr, ein 2-Rupee Stück in der Hand, nach welchem sie mit ihrem langen Rüssel greift, bevor sie mir, dann auch Anni und Shruthi, mit der Rüsselspitze einen Segensschmatzer auf den Kopf drückt und sich auf den Heimweg in den Tempel macht.



Auch unsere Gruppe setzt sich in Bewegung, es geht eine lange Treppe hinunter zum Fluss. Dort angekommen fackeln wir nicht lang und springen so wie wir sind hinein ins kühle Nass, die Kinder und Shruthi folgen, wir spritzen herum, planschen, schwimmen gegen den Strom und genießen diesen ausgelassenen Moment.




Tropfnass und glücklich spendieren wir jedem ein Eis, das jeder „suuuuperrrr“ findet - „very, very thank you, Akka!“
Die Felsen des Hemakuta-Hügels erklommen legen uns auf den durch die Morgensonne aufgewärmten Boden, um unsere Kleider von der Sonne trocknen zu lassen. Einige der Mädchen beginnen zu tanzen, wir spielen Musik ab, die fließenden Bewegungen und einnehmenden Rhythmen in dieser Szenerie zu erleben, erinnert mich an eines der Bollywood-Musikvideos. Andere Besucher bleiben ebenfalls stehen und bewundern die jungen Talente. Ein weiterer zauberhafter Moment vergeht.




Die Tour geht weiter, zur Spitze des Felsens, wieder hinunter zu den vielen Ständen in Hampi Bazaar, an denen Armreifen, Ketten, Postkarten und Puppen erworben werden. Dann weiter zu einigen anderen Tempeln, einer davon der unterirdisch gelegene Virupaksha-Tempel.


Schließlich erwarten uns das royale Zentrum und sein ummauerter Frauenbezirk, in dem wir das Lotus Mahal –das einstige Lustsschloss der Königin- sowie die Elefantenställe und das archäologische Museum besuchen. Außerdem haben wir die Möglichkeit den Klängen der Musikpfeiler des Vitalla Tempels zu lauschen.




Das Mittagessen -die am Vorabend bereiteten 125 Chapatti, Chutney und eine Portion Reis, die uns eine gesättigte Familie überlassen hat- genießen wir im Schneidersitz auf der Grünfläche vor dem Bad der Königin sitzend und werden auch hier wieder von allen Seiten für unser „Indischsein“ bestaunt. Die Mägen voll, die Picknickvorräte aufgegessen verabschieden wir uns vom bezaubernden Hampi und treten nach einer letzten Station an den Dämmen von Hospet, hinter denen die untergehende Abendsonne auf dem Wasser des Stausees glitzert, die Heimreise an.

Beflügelt wie wir von all den Ausflügen sind senden wir euch beste Grüße in die adventliche Heimat! 

5 Kommentare:

  1. Was für Farben und schöne Geschichten!!! Alles Gute!

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  2. Was fuer tolle Erlebnisse! Noch schoene vorweihnachtliche Zeiten wuensche ich dir! werden dich am Weihnachtstag im Kreise der Familie vermissen...wir denken an dich...in den tollen Farben natuerlich!! Liebe Gruesse, Constanza, Armin und Anastasia

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  3. Frechheit! :-) Nein! Wundervoll, was ihr alles schon sehen durftet! Und sooo schön erzählt :-)

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  4. Vielen Dank für den anschaulichen und so interessanten Bericht!

    Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Start in das Neue Jahr!

    Herzliche Grüße
    Ulrike Rüger

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  5. Habt ihr den Kindern Yoga beigebracht? Ich habe das im Urlaub im Hotel Lana gelernt und mache es bis heute sehr gerne.

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