Montag, 16. Januar 2012

Zwischen-den-Jahren auf Indisch

45 Geschenktütchen - Weihnachtsabend im Hostel

Dass wir das diesjährige Weihnachtfest mit einigen anderen Freiwilligen am Strand von Goa verbringen und über die Feiertage ein wenig entspannen wollten, hatten wir schon lange geplant. Dass deshalb aber unsere Kinder auf den Weihnachtsabend, das Schmücken ihrer Tanne, kleine Aufmerksamkeiten und echt deutsche Plätzchen verzichten müssen, davon war nie die Rede. Schließlich ist es die Idee unseres Freiwilligeneinsatzes, Brücken zu bauen, hier die indische Kultur kennen zu lernen und etwas von unserer Eigenen weiterzugeben. Gesagt, getan, wurde also der deutsche „Heilige Abend“ für unsere Kleinen auf den 19. Dezember vorverlegt und – ganz gleich ob Hindu, Muslim oder Christin- als Fest der Liebe gebührend zelebriert.

Nachdem wir am Vortag gemeinsam mit den Kinder Papiersterne gebastelt und bemalt, 45 Geschenktütchen mit glitzrigen Stickern, feschen Haarclips, kleinen Dinosauriern, bunten Kugelschreibern, Ohrringen und Bindis bepackt und die aus Deutschland geschickten, selbstgebackenen Plätzchen gekostet haben, ist es soweit: Das Glöckchen läutet, unsere große Hostelfamilie findet sich in der Dining Hall zusammen. Jedes Kind hält seinen selbstgebastelten Papierstern in den Händen, die Gesichter voller Neugier auf das, was ihre Akkas jetzt mit ihnen vorhaben.

Dann schreiten wir zur Tat und die Tanne, der Stolz des Gartens, die vor vielen Jahren von zwei anderen Freiwilligen gepflanzt worden ist, erstrahlt wenig später in vollem Glanz, als die vielen großen und kleinen Sterne in der warmen Abendluft tanzen. Wir finden uns daraufhin vor dem Baum zusammen, stimmen gemeinsam „We wish you a merry Christmas“ an und geben für unsere kleinen Zuhörer noch ein „Rudolph the rednosed reindeer“ zum Besten.

Zurück in der Dining Hall in einem Kreis zusammen gefunden lauschen die Kinder der Weihnachts-geschichte, in der unser Christengott seinen Jesussohn auf die Erde schickt, um den Menschen die Liebe zu bringen. „Yes, yes Kanakka! Gottu, Jesus god bringing love, alla?“

Dass wir in Deutschland diese Liebe an Weihnachten mit  unseren Nächsten teilen wollen und deshalb unserer Familie und unseren Freunden Geschenke machen, erzählen wir natürlich auch. „And you are our Indian family! Our heart is full of love for you, nana ge ninu tumba tumba ishda!“ Nach diesen Worten zaubert Christkind Anni den Korb voller Überraschungen unter einem Tuch hervor und wir bescheren jedes Kind sowie unsere lieben Lehrerinnen und Aunty mit bunten Weihnachtstütchen.

Mit was wir jedoch nicht gerechnet hätten, sind die vielen Aufmerksamkeiten und Geschenke, Briefe und Blumen, die uns unsere Kinder im Anschluss überreichen - Kinder, die selbst nichts besitzen und doch so viel geben können. „I love you, Akka! Happy Christmas, my Akka!“ -  Welches Glück, welche Dankbarkeit und Liebe in diesem  Moment den Raum füllen, lässt sich hier nicht in Worte fassen!


Als wir dann die von Annis Oma selbstgebackenen Butterplätzchen austeilen, wird uns postwendend eines in den Mund geschoben: „Thank you, super Biscuits, Kanakka!“ Und während jeder über seinen Geschenken kniet, stolzerfüllt den neuen Schmuck oder den bunten Kugelschreiber seinem Sitznachbarn präsentiert und Plätzchen futtert, kann ich nur darüber staunen, auf welche zauberhafte Weise wir an diesem Abend das Fest der Liebe begangen haben.

Zu guter Letzt steht auch noch unser Direktor mit seiner Familie in der Tür, um uns eine frohe Weihnacht und eine gute Reise nach Goa zu wünschen. Nachdem auch er einen Papierstern an unsere Weihnachtstanne gehängt hat, überreicht er uns Weihnachtstorte, kitschige Grußkarten und ein tolles Geschenk: Reiseschals, die wir während der zugigen Nachtfahrt in der Sleeper Class sicher gut gebrauchen können.

Ein Genuss - Ferien in Goa

„Happy journey, Akka! And come back fast!“ Es ist soweit, mit unseren Rücksäcken und großer Vorfreude bepackt machen wir uns auf in die Weihnachtsferien und erreichen nach einer ersten siebenstündigen Busfahrt durch die Kaffeeplantagen Chickmagalores die Westküste und damit Mangalore, wo wir von unsere Freundinnen Lea und Octavia, zwei weiteren Freiwilligen der KKS, schon mit einem leckeren Abendessen erwartet werden. Gemeinsam und auf einer schmalen Pritsche im Nachtzug schlafend geht die Reise schließlich weiter nach Goa direkt an den indischen Ozean, wo wir von dem dritten Freiwilligenteam im Bunde, Naomi und Elena aus Joida,  Empfang genommen werden.



Und so ziehen erst in Anjuna, dann am Strand von Arambol wundervolle Tage ins Land, in denen wir sechs uns in Gesprächen und zwischen den vielen bunten Ständen auf Anjunas Flohmarkt und entlang des Strandes verlieren oder uns in netten Strandcafés auf den Bambusbänken lümmelnd die Bäuche mit Pfannkuchen, Falafelsandwich, Lassi und Avocadosalat voll schlagen - Leckereien, von denen wir in den vergangenen Monaten bei all den warmen indischen Malzeiten nur träumen konnten. Abends wieder einmal zu tanzen oder zusammen zum Spiel der Gitarre zu singen hat ebenso seinen ganz eigenen Reiz wie tagsüber an dem weitläufigen Strand oder am Ufer des Süßwassersees seine Zehen in den weichen Sand zu buddeln.



Auch die zahlreichen Begegnungen in unserem Bambushütten-„Woodstock village“, beim morgendlichen Yoga am Strand oder unter einem riesigen, fernab von allem im Dschungel gelegenen Baum sind es, die dieser Woche etwas ganz einzigartiges verleihen.


Heilig Abend am Strand

Und dann ist es plötzlich soweit, der 24. Dezember fernab vom winterlich-weihnachtlichen Zuhause bricht an. Anstelle des Duftes von Plätzchen und Tannenzweig riecht der Morgen nach Sonnencreme und Salzwasser und nach einem ersten erfrischenden Bad im indischen Ozean gönnen wir uns ein leckeres Frühstück in der German Bakery Arambols. Auf einer Strandliege ruhend schweift mein Blick in die Ferne an den blau-blauen Horizont, in unserer Hand ein spinatgrüner Weihnachtsmojito scheint es vollkommen surreal, dass in wenigen Stunden in Deutschland das Glöckchen zur Bescherung läuten würde.

Doch auch für uns heißt es am späten Nachmittag Fertigmachen für den Festabend und, als alle in weihnachtlichem Glanz erstrahlen, geht es mit den Geschenktüten bepackt wieder zurück zum Strand. Unser Antlitz vollkommen in der deutschen Tradition geschmückt ist wenig später zwischen den vielen Lichtern und einem echten Tannenzweig mit Bienenwachskerze kaum noch Platz auf dem Tisch, es baumeln glitzerige Christbaumkugeln an unseren Ohren und silbernes Lametta schmückt unser Haupt. Nachdem wir großzügig den Rest Lametta verschenkt und alle man Frohe Weihnachten gewünscht haben, bringt uns Octavias „Von drauß‘ vom Walde komm ich her…“ und ein lautstarkes „In der Weihnachtbäckerei“ nun auch die Aufmerksamkeit der letzten Tischnachbarn ein.


Es folgt die Bescherung, die per Post aus Deutschland noch rechtzeitig eingetroffenen Geschenke und gegenseitige Kleinigkeiten werden ausgepackt und in diesem kurzen Moment scheint Zuhause so nah und ist doch so unglaublich fern, dass es uns vollkommen unbegreiflich scheint. Nachdem wir aber alle mit unseren Lieben in Deutschland telefoniert haben, unter deren Christbaum in diesem Jahr auch indische Überraschungen darauf warteten, ausgepackt zu werden, kann das Weihnachtschlemmen beginnen: Mit Gemüse gefülltes Naan, Gobi Manjuri  -marinierter Blumenkohl-, vegetarisches Byriani und gemischtes Gemüse Masala. Welch ein Gaumenschmaus!

Und was unseren Heiligen Abend perfekt macht, ist der Besuch der Mitternachtsmette, die im durch die portugiesische Kolonialzeit stark christlich geprägten Goa brechend voll von herausgeputzten Inderinnen in bonbonfarbenen Kleidern und Herren in Anzug und Fliege ist. Obwohl auf Konkodi können Octavia und ich der Liturgie gut folgen und sprechen das Vater Unser einfach intuitiv auf Deutsch mit. Im Anschluss an den Gottesdienst ertönt erst ein „Stille Nacht, heilige Nacht“, dann fröhliche Tanzmusik, auf dem Vorhof wird Chai ausgeschenkt und Kuchen für alle serviert, es gibt eine kitschige Krippe zu bewundern und Kinder dürfen trotz der nächtlichen Ruhe an einem Karaokewettbewerb teilnehmen. Die Art, ihren Glauben zu feiern ist genau so, wie man es sich von einer Gemeinde in einem Schwellenland erwartet. Zurück bei den anderen Freiwilligen tanzen wir bis in den frühen Morgen am Strand und fallen nach fast 24 Stunden 24. Dezember um sechs Uhr morgens erschöpft und zufrieden ins Bett.

Talentschau Karl-Kübel-Trophy - 270 Kinder zu Gast im KKID

Nach 7 wunderbaren Urlaubstagen und einem Tag Verschnaufpause bei Lea und Octavia in Mangalore geht unsere Reise weiter nach Tamil Nadu, in den südlichsten Bundesstaat Indiens. Unser Ziel ist das Karl-Kübel-Institut for Development Education in Coimbatore, in dem wir auch schon während unseres Orientierungs- sowie Zwischenseminares residierten.  Was uns dort diesmal erwartet, sind nicht die gewohnten Wochen voller Gesprächsrunden und Field visits. Es sind zwei volle Tage, in denen das gesamte Team des KKIDs sowie zahlreiche Mentoren 270 Kindern aus den verschiedenen NGOs Südindiens die Möglichkeit geben wollen, ihre vielseitigen Talente unter Beweis zu stellen. Angeboten werden die Felder Sport, Tanz und Gesang, Kreatives und die „Weisheitsecke“. So gibt es beispielsweise langsames Fahrradfahren und Schnelles Laufen, Sologesang und Gruppentanz, Zeichnen und Origami sowie Öffentliches Reden und die Diskussionsfreudigkeit im Rahmen eines Kinderparlamentes zu bestaunen.




In all dem Trubel sind es unsere Aufgaben, die über dem gesamten Campus verstreuten Aktivitäten abzulichten sowie den Mitarbeiten des KKIDS zudem  in der einen oder anderen Kategorie als „Richter“ unter die Arme zu greifen und die Kreativität der jungen Teilnehmer mit Punkten zu belohnen. Und während wir so mit der Kamera durch das Gewusel streifen, um lebendige Fotos zu schießen, haben wir immer wieder die Gelegenheit uns mit den anderen Freiwilligen von der Universität Coimbatores sowie Lena und Mona, von der KKS nach Coimbatore entsandt, zu unterhalten, die ebenfalls gemeinsam mit ihren Schützlingen zur Trophy angereist sind.

Apropos, unsere Tänzerinnen und Sportskanonen haben in den verschiedensten Disziplinen alles gegeben und zum Ende des Wettbewerbs achtzehn kleine goldene Trophäen mit zurück nach Tarikere bringen können.


Sieger der Trophy waren jedoch die Kinder von den SOS-Kinderdörfern aus Kerala, die durch ihre herausragenden Talente alle von sich überzeugen konnten.

Sylvesterkuscheln und Neujahrstanz

Nach 10 aufregenden Tagen auf Reise wieder zurück im Projekt heißt es erst einmal Ausschlafen, dann „Waschparty“. Was es damit auf sich hat? Nun ja, vier bis zum Rand gefüllte Eimer Schmutzwäsche, das macht etwa vier Stunden und eine Waschseife später drei Leinen voll Wäsche und zwei vollkommen geschaffte Akkas. Doch von Ausruhen ist keine Rede, es ist schließlich Sylvester. Also finden wir uns nach einer heißen Dusche zum Spieleabend zwischen unseren Lieben wieder, es ertönt die schrille Halligalliglocke, hinter meinem Rücken kann ich ein stolzes „Unouno“ vernehmen und irgendwo ärgert sich ein kleines Mädchen, beim „Mensch, ärgere dich nicht“ herausgeworfen worden zu sein. Zufrieden und von dem leckeren Abendessen gesättigt sehen wir gemeinsam einen Film, ob der langen Reise am Vortag und der Gemütlichkeit wegen eng aneinander gekuschelt, bis die meisten Kleineren eingeschlafen sind und deshalb vor Mitternacht all in ihre Betten huschen. Auch wir machen es uns in unserem Zimmer gemütlich und begrüßen das neue Jahr mit in der Dunkelheit scheinenden Lichtertüten und angenehmer Ruhe anstelle des üblichen Böllerns.


„Akka, akka, Bani!“ Es ist 7.30 Uhr und lautes Klopfen reist uns aus dem Schlaf. So früh ist unser Neujahrstag sicherlich noch nie angebrochen. Schnell einen Schal übergeworfen und die Wunderkerzen und goldenen Streusterne geschnappt werden wir im Hof bereits erwartet: Die sahnige Neujahrstorte soll angeschnitten werden und nachdem sich alle nur das Beste zum neuen Jahr gewünscht haben, zünden wir unsere Wunderkerzen an und tanzen freudig zu den neuesten Kannadahits im Kreis. Denn hier in der Region wird nicht das alte Jahr am 31. Dezember verabschiedet, sondern der 1. Januar als Neujahrstag gefeiert. Dann heißt es für uns ab in die Küche und nach einer guten Stunde spendieren wir Bonda, in Teig frittierte Chillischoten, für alle –ein Festtagsfrühstück eben!



Wir hoffen, dass auch ihr wundervolle Weihnachtstag verlebt habt und gut ins neue Jahr gerutscht seid und wünschen von hier aus natürlich nur das Beste für die nächsten zwölf Monate! Let's life our life with arms wide open!

1 Kommentar:

  1. Es ist einfach wunderbar, was ihr macht!! Viele Grüße aus sehr frostigen Deutschland!

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